Christoph Büchel

Hole

Die Werke von Christoph Büchel (1966) verarbeiten aktuelle politische und gesellschaftliche Zustände. Der Raum, seine gesellschaftlichen Bedeutungen und Markierungen, seine Benutzer, sowie die Besitzverhältnisse, denen er unterworfen ist, sind zentrale Themen in Büchels Arbeiten. Seine massiven, aufwendigen Rauminstallationen nisten sich in den Kunstinstitutionen ein, dehnen sich räumlich aus und richten sich falls nötig auch gegen gängige Ausstellungskonventionen. Büchel richtet seine Räume präzise ein und stattet sie detailgetreu mit Indizien aus, so dass der Betrachter zum Voyeur und zum Fahnder in einem fiktiven Erzählraum wird. Büchel fordert vom Betrachter viel – sei es der Körpereinsatz beim Überwinden von räumlichen Hindernissen oder die aktive Teilnahme im Kopf. Die inszenierten Ausnahmezustände und chaotischen Strukturen sind höchst bedrohliche Bilder verschütteter Traumata der Zivilisation, die mehr Realität offenbaren, als auf den ersten Blick sichtbar wird.
So sind es Extremsituationen und die schlummernde Katastrophe unter der Oberfläche, die Büchel in den Raumszenarien wie *Close Quarters
oder Private Territories in Szene setzt: 2004 hat Büchel im Kunstverein Freiburg den Ausstellungsraum in eine Sporthalle verwandelt und mehrere kleine Zellen eingebaut. Diese hat er vollständig möbliert und ausgestattet, so dass es aussah, als ob Asylbewerber aus verschiedenen Ländern dort gewohnt und dann plötzlich den Ort verlassen hätten.
Unüberwindbare Konflikte von territorialen Besitzansprüchen, die bis in den intimsten Raum vordringen können, zeigte Büchel 2004 im Swiss Institute in New York. Eine undurchdringliche Mauer aus Schlackenbetonblöcken schnitt eine ganze Wohnung entzwei und trennte sie in Kompartimente und Parzellen für ihre beiden verstrittenen Bewohner. Die gegenseitige Abhängigkeit der beiden Parteien wurde anhand verschiedener Kontaktaufnahmen sichtbar. Diese fanden statt, um untereinander mit nicht mehr vorhandenen Ressourcen Handel zu treiben. Die beklemmende Raumsituation liess den Betrachter die Spannung zwischen Freiheit, Sicherheit und völliger Isolation und Lebensunfähigkeit durch die Teilung hautnah miterleben.
Büchel arbeitet nicht nur installativ, sondern realisiert auch konzeptuelle Projekte und Aktionen, welche aktuelle politische Konflikte aufnehmen: Das zusammen mit Gianni Motti ins Leben gerufene Projekt „Guantánamo Initiative“ wirft Licht auf den Besitzanspruch der USA auf Guantánamo Bay in Kuba. Dort unterhält die USA ein Internierungslager für Terrorverdächtige vorwiegend islamischen Glaubens. Da die USA in diesem exterritorialen Raum ihre eigene Gesetzgebung nicht anwenden muss, kommt es zu diversen Verletzungen der Gefangenenrechte. Ausserdem verstossen die USA gegen den von ihnen selbst erzwungenen Mietvertrag mit Kuba, da das gemietete Land nicht für militärische Zwecke genutzt werden dürfte. Mit ihrer Initiative versuchen Büchel und Motti nun auf legalem Weg Guantánamo Bay vom Staat Kuba zu mieten: Die daraus resultierende Korrespondenz, sowie historisches Dokumentationsmaterial, wie etwa die Kopie des Mietvertrages zwischen Amerika und Kuba von 1901, präsentieren die Künstler in einem Transportcontainer an der diesjährigen Biennale in Venedig.

Im Oberlichtsaal der Kunsthalle Basel hat Christoph Büchel eine raumfüllende Installation mit dem Titel HOLE konzipiert, die den wunderschönen und erst kürzlich sorgfältig renovierten historischen Teil des Gebäudes in einen industriell aussehenden Sortierplatz und eine Werkstatt umfunktioniert. Die Installation wird nur durch den Lift vom Foyer aus betreten – das repräsentative Treppenhaus bleibt für die Dauer der Ausstellung geschlossen. Neu wird der Besucher anstelle des Oberlichtsaals unter anderem ein Wartezimmer, die Praxis eines Psychotherapeuten („Shrink Room“) und ein grosses Zelt vorfinden. Diese Räume dienen dazu, verschiedene mentale Zustände zu repräsentieren. Der „Shrink Room“ ist der Ort für seelische Aufarbeitungen: Hier soll die Vergangenheit noch mal aufleben und in der Analyse sollen unterdrückte psychische Inhalte hervorgeholt werden. Im anschliessenden Zelt sind die Trümmer eines explodierten Reisebusses auf Tischen arrangiert und in Regalen gelagert, was an eine Mehrzweckhalle für Polizei-Untersuchungen erinnert. Der Prozess, Ordnung in das Desaster zu bringen, ist angedeutet: Nach Vorbild von 2D- und 3D-Modellen befinden sich die zum Teil bis zur Unkenntlichkeit verformten Einzelteile vorsortiert am Boden sowie montiert auf einem Stahlgerüst in Gestalt des Busses. Ähnliche Rekonstruktionen finden bei jedem Flugzeugabsturz statt. Experten führen monatelange Untersuchungen durch; jedes Teil des zerstörten Objektes erhält dabei höchste Aufmerksamkeit, bis die Ursache für das Unglück gefunden ist. Den Hergang einer Katastrophe rational zu verstehen, kann der Angst entgegenwirken. Eine logische und wissenschaftliche Erklärung zu finden, ist eine der möglichen Strategien kollektiver Schicksalsbewältigung. Gleichzeitig ist die obsessive Untersuchung von Details ein Ausdruck für das Bestreben, die totale Kontrolle über unfassbare und gewalttätige Ereignisse wie Naturkatastrophen und terroristische Akte zu behalten und spiegelt einen gesellschaftlichen Zustand der Paranoia wieder.
Christoph Büchels Installation HOLE kann als eine Abfolge von Psychogrammen gesehen werden, die das Verlangen zeigen, die gesellschaftliche Ordnung in Zeiten der zunehmenden Unsicherheit zu erhalten.

Diese Ausstellung wird unterstützt von:
National Versicherung

Wir danken:
Müller Maschinen AG, Bättwil
Bauteilbörse, Basel
Mösch AG, Basel
Roesen Haustechnik AG, Basel
Stoeklin AG, Dornach

Besonderen Dank an:
Hauser & Wirth, Zürich

Video der Vernissage in der Kunsthalle auf
Vernissage-TV